Wilhelm Julian Gruber

Die Offiziersfamilie Edle von Janda überlebt Napoleon

(Auszug)

Drei Kaiser

Drei Kaiser aus dem Hause Habsburg regierten in der Zeit von den Türkenkriegen über die Koalitionskriege gegen Frankreich bis zur Kaiserkrönung Napoleons im Jahr 1804 das Heilige Römische Reich deutscher Nation, Josef II. bis 1790, sein Bruder Leopold II. von 1790 bis 1792 und ab 1792 der Neffe Josefs II., Franz II./I. Unter General Gideon Ernst Freiherr von Loudon[1] – er war auch Inhaber des Infanterieregiments 29 – konnte der gemeinsam mit den Russen von 1787 bis 1791 (Friedensschluss) geführte Krieg gegen das Osmanische Reich im Oktober 1789 mit der Eroberung Belgrads siegreich abgeschlossen werden. Im folgenden, rund zwei Jahrzehnte dauernden Kampf gegen das revolutionäre Frankreich erlitten die Habsburger Kaiser und ihre Monarchie zahlreiche Niederlagen, vor allem seit 1796 die französischen Armeen von Napoléon Bonaparte geführt wurden. Die (Koalitions-)Kriege von 1792-97, 1799-1801, 1805, 1809 führten zu erheblichen Gebietsverlusten. Erst die erfolgreichen Feldzüge mit der „Völkerschlacht“ bei Leipzig 1813, der Schlacht bei Paris 1814 und der finalen Schlacht von Waterloo 1815 brachten mit dem Wiener Kongress 1815 Gebiete und Untertanen zurück.[2] Die k. k. Armee war also in der Zeit vor und nach der Jahrhundertwende 1800 stark gefordert und ihre Soldaten oft fern ihrer Heimat.

Noch bevor Napoleon im Dezember 1804 zum Kaiser gekrönt wurde, heiratete in dieser politisch unruhigen und kriegerischen Zeit im Februar 1804 die „Oberverpflegsverwalterstochter“ Josepha Kurz (1776–1848) in Brünn ihren Verlobten, den Hauptmann des Infanterieregiments 29, Johann Nepomuk Janda (1767–1834).

Beginnend mit der Zeit von 1690 bis zur Hochzeit 1804 wird hier die Geschichte der Familie Janda erzählt. Möglich wurde das unter anderem durch zwei in einem HistoriÖ-Teilarchiv vorhandene und hier vorgestellte Originalquellen.

„Kurzbüchel“

Josepha Edle von Janda notierte über viele Jahre hinweg die Geschichte ihrer Familie, beginnend bei Josephas Großeltern und bis zu ihren Enkeln führend. Ergänzt hat sie diese Aufzeichnungen mit Informationen über den großen Verwandten- und Bekanntenkreis der Familie. Auf 179 handschriftlichen Seiten [Kurzbüchl[3]] sind von 1690 bis in die 1780er Jahre hauptsächlich Lebensdaten von Familienmitgliedern aufgezeichnet, danach erzählen viele Eintragungen lebensgeschichtliche Ereignisse aus der engeren Familie und von weit über hundert Personen aus dem erweiterten Familien- und Bekanntenkreis. Nur über sich selbst berichtet sie wenig.

Conduitebeschreibung von Johann Janda (ca. 1820)

Johann Janda verfasste ungefähr 1820 eine zweiseitige „Konduitebeschreibung“ [Conduite] seines eigenen militärischen Werdeganges und den seines Vaters. Beide Dokumente gemeinsam geben einen guten Einblick in das Leben einer Offiziersfamilie Ende des 18. / Anfang des 19. Jahrhunderts. Informationsergänzend und zur Verifikation wurden Quellen aus dem Kriegsarchiv und dem Adelsarchiv des Österreichischen Staatsarchivs, Militärschematismen sowie aus Kirchenmatriken verwendet. Die Bezeichnung der Generationen wird von Josepha und Johann Janda als Eltern vorgenommen.

Stammtafel 1690 bis 1804

Aus den Aufzeichnungen zur Ur- und Großelterngeneration gehen mit Ausnahme der Geburtsdaten der Kinder eher militärische denn familiäre Informationen hervor. Aus diesem Grund sind letztere hier zunächst nach Familien und Generationen gegliedert.

Ur- und Großeltern

Familie Kurz – Rösner

Der väterliche Urgroßvater Mathias Kurz (1690-1762) war Greißler und Zimmermeister in Neukirchen am Wald in „Oberösterreich“ und vermählte sich dort 1720 mit Urgroßmutter Maria Regina Hagerin (1698-1778). Maria brachte zwischen 1721 und 1739 neun Kinder zur Welt. Von zwei Töchtern und sieben Söhnen führten fünf den Namensstamm „Johann“ im ersten oder zweiten Vornamen.

Großvater Mathias Johannes Evangelist Kurz, unser würdiger edler Vater wurde gebohren den 16ten Feb: 1739 in Neukirch am Walde in Oberösterreich, studierte zu Wien bis er als Emanuensis [Schreiber] bey Herrn Ober Kriegs Commissaire von Witzmann in August 1756 bis Ende April 1757, CADET bey Merey, nun Vrugal COLLOREDI Inf: von 1.Mai:1757. bis Ende Juli 1758 wo er in die Verpflegsbranche trat.
Von 1759 bis 1783 war er in Lemberg und Olmütz stationiert und wurde anschließend zum Ober-Verpflegsverwalter in Brünn befördert, wo er 1802 pensioniert wurde.
[… Er] wurde den 25ten Jänner 1806 mit Erbrechen krank, die Schwäche nahm schröcklich zu, und er wurde den 2ten Feb: so schwach, da wir ihn den 3ten früh mit allen heil. Sakramenten versehen lassen müsten. Er nahm keine Nahrung mehr zu sich; nach aller angewandter Mühe verloren wir den Vater am 20ten Feb:1806 früh um halb fünf Uhr, in welchem Augenblick er selig im Herrn einschlief. Seine Beerdigung war den 22ten […].

Der mütterliche Urgroßvater Leopold Rösner, geboren1713 in Olmütz war Apotheker in Olmütz und starb in Olmütz am 12. Dezember 1771 im 59igsten Jahr. Er heiratete am 5. November 1771 in Olmütz Urgroßmutter Theresia Rösner [Geburtsname unbekannt] und starb am 7. Juni 1784 im 65 Jahr. Aus erster Ehe [von Schulheim] hatte sie drei Kinder, aus der zweiten eine Tochter meine liebe Mutter [Großmutter Maria] Theresia Rösner, geboren den 5ten  August 1753, verehelicht den 5ten Nov.1771 mit meinen lieben Vater Mathias Kurz zu Olmütz.[…Sie] starb zu Brünn im Jahre 1831 den 22ten September zum größten Schmertz aller Ihrer Kinder, deren Andenken nie erkalten wird.

Familie Janda – di Fatigatti

Zur Urgroßelterngeneration der Familie Janda/di Fattigatti konnten bisher keine Informationen gefunden werden.

Großvater Franz Seraphin Janda, geboren 1735 in Neuschloss/Nordböhmen, wurde 1753 Cadett im Infanterieregiment Nr. 29 und diente dort in einer Kompanie die Offizierschargen bis zum Hauptmann hinauf. Zu seinen Kriegseinsätzen berichtet sein Sohn Johann:
Mein Vatter […] war mit den Regiment anno 756 in der Battaille bey Lowovicz, anno 757 in jenen bey Prag, Lignitz, Bresslau und Leyden dann bey der Belagerung von Bresslau und Schweidnitz anno 758 in der Bataille bey Bern und Hochkirch, anno 759 bey der Belagerung von Neiss, anno 760 in der Battaille bey Landshuth und Lignitz anno 761 bei der Belagerung von Schweidnitz, und anno 790 bey der Armee an der schlesischen Gränze.
Im 55. Lebensjahr wurde er 1790 als Major zur Wiener „Montour Commission“ und 1793 zur „Direction bey Verpflegsamt“ versetzt, war 1796/97 vorübergehend Kommandant der Festung Spielberg bei Brünn, bevor er im Jahr 1800 pensioniert wurde und 1813 in Brünn verstarb.

Franz Edler von Janda Adelswappen (1804) FHSG #0371

Der Vater von Johann Janda, Franz Seraphin Janda wurde auf seinen Antrag hin 1808 im Alter von 73 Jahren von Kaiser Franz I. nobilitiert und durfte das erbliche Adelsprädikat „Edler von“ führen. Es waren damit keinerlei Privilegien verbunden, er musste für das Prädikat sogar 300 Gulden bezahlen.

Franz und Großmutter Franziska di Fatigatti (1743-1833) heirateten 1764 in Kuttenberg[4].
Seine Gemahlin, die Tochter des Primators [Bürgermeister] aus Kuttenberg in Böhmen‚ wurde gebohren 1743 zu Kuttenberg und starb zu Brünn den 29ten Märtz 1833. Sanft und ruhig schlief sie ein, den Tag bevor wurde sie mit den heil. Sterbesakrament versehen.
Hochzeit und die Geburt der Kinder scheinen nach diesen Aufzeichnungen in einer Phase ohne Kriegseinsätze des Vaters gefallen zu sein. Von ihren acht Kindern, starben vier bereits im Kleinkindalter, Sohn Johann Nepomuk wurde Major und Sohn Franz General, Tochter Babette heiratete einen Offizier aus dem gleichen Regiment, in dem ihr Bruder Johann diente und eine weitere Tochter einen Beamten.

Eltern

Johann Nepomuk Janda

wurde am 1. Juli 1767 in Polna bei Deutsch Brod[5] als Sohn von Franziska, geb. di Fattigatti (1743 in Lemberg – 1833 in Brünn) und des Offiziers Franz Seraphin Janda (1735–1813) geboren. Im Alter von 16 Jahren wurde er zum Regiments Cadett im Infanterieregiment Nr. 29 assentiert [auf militärische Tauglichkeit untersucht] und
machte er die Feldzüge als Fähnrich anno 788 in Türckenkriege bey der Hauptarmee in Servien, als Obenlieut[enant] 790 bey der Armée an der schlesischen Gränze gegen Preußen, 791 bis 794, stand der Gefertigte theils in Mähren⸗Ost- und West⸗Gallizien, anno 795 wurde er von Zamosz [Zamość, zwischen Lublin und Lemberg/Lwiw] zur Reihnarmee transferiert 796 als Oberlieut und frugaler [vorläufiger] Kompagnie Commandant die Schlacht bey Würzburg, Amberg und Limburg, dann mit Ende dieses Jahrs die Belagerung von Hüningen  mitgemacht, wobey er beym nächtlichen feindlichen Überfall am 29ten Jänner 797 selber plesiert und durch 9 Monate dem Dienste entzogen war. Eben in diesen Jahre wohnte er denen Affairen von Mainz, Turckhaim Papsel, Freudenthal, Mannheim und Porzheim [bei …]. Im Jahr 799 als Kapitanlieut wohnte er die Schlachten bey Ostrach, Stokach Winterthur, nebst der Bestürmung von Negerau und Mannheim bey, so eben den 5ten May 800 der Schlacht bey Moskirch, bey welcher Gelegenheit er in den rechten Fuß verwundet und in die Kriegsgefangenschaft gerith. In diesen beyden Jahren war er in mehreren Gefächten an der Nida. wo er das Unglück hatte gefangen zu werden, und erst den 28ten Dezember wieder zu Brünn eintraf, sich equipirte [ausrüstete] und wieder zu sein Regiment eilte.

Josepha Janda, geb. Kurz

wurde am 2. Juli 1776 in Lemberg geboren und lernte auf einem Ball im Februar 1798
Den Ober Lieutenant Janda kennen, den 23ten dies Monat besuchte er uns das erste mal, doch den 29ten April eben dieß Jahr zog er mit seinen Regiment zu Felde, die Trennung war mir schmerzhaft, in ein Jahr hofften wir uns wieder zu sehen, doch es geschah anders, er kam erst den 28ten Dez 1800 aus der Gefangenschaft, meine Freude und Schrocken kann keine Feder beschreiben, er suchte aufs neu um meine Hand an, doch er war wirklicher Hauptmann, und das erschwärte die CAUCION zu legen, wir kamen um Nachlaß der Cauzion ein, [… doch es] wurde zu unserem größten Schmerz abgeschlagen in May 1801 […], J. glaubte mich als die Schuldige, und suchte sich zu zerstreuen, nach seinem Betragen zu uhrteilen, glaubt ich mich vergessen zu sein, […] und so wars bis wir uns wieder fanden, als er von 3 monatlicher Conscription zu uns kam, gerade am 19ten März 1803 wieder das erste Mal uns besuchte, wo er 20ten Juni nach Trenschin, ich am 1ten Juli nach Wien mußte, und erst den 13ten Ober rückkehrte, den 22ten Nov: erhielt ich den Antrag des J[anda]. […]- J. sprach noch einige Male mit meinem Vater, weil er zu dieser Zeit das Haus verkauft hatte; bis endlich den 3ten Jänner 1804 die Pamatken [Schuldverschreibungen] zur Cauzion überreichte, den 16ten wurde der gegen Revers meines Vaters unterschrieben, […] den 19ten gieng das Gesuch nach Wien ab, den 1ten Feber kam es zurück und den 13ten Feb 1804 um 6Uhr abends in der Loretto Kapellen [in Karthaus bei Brünn] getraut wurde.


[1] Gideon Ernst Freiherr von Loudon, (1717 Livland – 1790 Mähren) k. k. Generalissimus, 1989 im Türkenkrieg Eroberer von Belgrad.

[2] Vgl. Ernst Bruckmüller, Österreich. Geschichte Kompakt, Wien / Köln 2021, 101–107.

[3] Kurzbüchl 1, Kurzbüchl 2 Schwester Aloisia/Luise, soweit nicht anders angegeben sind die Zitate dem Kurzbüchl 1 und der „Konduitebeschreibung“ entnommen und werden in diesem Webtext nicht weiter zitiert.

[4] Kuttenberg/Kutná Hora – ca. 80 km O Prag.

[5] Deutsch-Brod/ Havlíčkův Brod – ca. 90 km NW Brünn/Brno.