Wilhelm Julian Gruber
Josef Rudolf Strzygowski (1862-1941)
Vom Tuchmacher zum Kunsthistoriker
Bis heute steht das Wirken von Josef Strzygowski als Kunsthistoriker, Archäologe und als bekannte Persönlichkeit der Zeit im Mittelpunkt von Forschungsarbeiten. Neu zugängliche Archivalien machen es möglich seine Kindheit und Jugend und damit seinen Weg zum Tuchmacher und weiter zum Kunsthistoriker zu beleuchten.
Im Zuge einer Archivbearbeitung wurden bei Nachkommen von Josef Strzygowski an zwei unterschiedlichen Standorten je ein größerer „Bananen-“Karton mit Archivalien wiederentdeckt, in denen sich unter anderem jeweils ein handschriftliches Tagebuch, eines über den Zeitraum 1878 bis 1883 und eines mit Eintragungen aus dem Zeitraum 1881 bis 1890 fanden. Da über das Leben Strzygowskis bis zu seinem Eintreten an die Universität öffentlich kaum etwas bekannt war, stieß diese Information auf großes Interesse. Die oft gestellte Frage war „Wann hat er sich denn entschieden, Kunsthistoriker zu werden?“. Mit Hilfe dieser beiden Tagebücher schien sie nun beantwortbar geworden.
Josef Strzygowski wurde am 7. März 1862 in Bielitz-Biala, einer an der damaligen Grenze des Herzogtums Ober- und Niederschlesien auf der westlichen Seite des kleinen Grenzflusses Bialka und Biala auf der östlichen im Königreich Galizien und Lodomerien gelegenen Stadt in eine Tuchmacherfamilie hineingeboren.
In seiner Kindheit wies aber alles auf eine künftige Laufbahn als Tuchmacher und Fabrikant in seiner Heimatstadt Bielitz-Biala hin. Der Schul- und Ortswechsel im Jahr 1877 nach Jena an das Stoy‘sche Institut, die dortige Form der Pädagogik und eigenständige Reisen mit vielen neuen Eindrücken leiteten die Wende ein und machten aus dem schwierigen Jüngling einen bildungshungrigen und für die Welt offenen jungen Mann, für den ein Leben abseits der Tuchmacherei und jenseits des Lebens in der kleinen Stadt Bielitz-Biala immer klarer vor Augen stand. Immer wieder hin und hergerissen zwischen einer wahrscheinlich gesicherten landbürgerlichen Zukunft als Tuchfabrikant oder einer noch ungewissen als Bildungsbürger, ging er seinen Weg von der Schule in Jena und Brünn, die er mit der Matura abschloss, nach Hause in die Praxis der väterlichen beziehungsweise schwägerlichen Fabrik mit einem raschen Abschluss der Weberschule. Die weitere Erfahrung in der Textilproduktion im Vogtland und die Erlangung der Meisterwürde brachten ihn an den Entscheidungspunkt. Das Angebot seines Arbeitgebers, in den Folgejahren Nachfolger des Fabrikdirektors zu werden, brachte Anfang 1882 die Lebensentscheidung, er immatrikulierte an der Universität Wien, ging von da nach Berlin und promovierte 1885 in München.
Forschungsprojekt abgeschlossen
Das im Sommer 2020 begonnene Forschungsprojekt – wir haben Sie im April 2022 in unserer Rubrik „Aktuelles“ hier über den Zwischenstand informiert – konnte im Oktober abgeschlossen und in der Ausgabe 3/2022 der „Mitteilungen der Gesellschaft für vergleichende Kunstforschung“ unter dem Titel „Der Fabrikantensohn Josef Strzygowski (1862-1941) auf dem Weg vom Tuchmacher zum Kunsthistoriker“ veröffentlicht werden. Nun ist der Aufsatz auch online verfügbar.
Auszug aus dem Tagebuch von Josef Strzygowski aus dem Jahr 1878
Fotos: © Historiö/WJG
Text:
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