Artillerieausbildungsplatz Hajmáskér

K. u. k Artillerie-Schießschul-Etablissement in Hajmáskér um 1905

Gekürzter Baubericht und -beschreibung des k. u. k Artillerie-Schießschul-Etablissements in Hajmáskér um 1905. Das 41-seitige Album enthält Text, Fotos sowie eine Schießplatzkarte (43,5 x 38,5 cm) und entstammt dem Nachlass Rudolf Christ.

Der bei Hajmáskér (Veszprém megye) nahe dem Plattensee (Balaton) in Ungarn gelegene Artillerieschießplatz war mit seinem Ausmaß von 8800 kat. Joch (37,98 km2) zu seiner Zeit der größte der Monarchie und wurde im Jahr 1902 um den Preis von 1.800.000 K (15,488 Mio. €) erworben. Die zu den Schießübungen durch sechs Monate jeden Jahres kommandierten Offiziere und Truppen konnten jedoch zunächst nur notdürftig in sechs und mehr Ortschaften in verschiedener Entfernung vom Schiessplatze untergebracht werden, wodurch die Übungen stark beeinträchtigt wurden. Die gemeinsame (österreichisch-ungarische) Heeresverwaltung entschloss sich daher, in unmittelbarer Nähe des Übungsplatzes entsprechende Unterkünfte zu erbauen. Dazu wurde ein Bauplatz von 5,2 kat. Joch Größe (2,2 ha) an der Ostgrenze des Ortes Hajmáskér erworben und die Ausarbeitung des Projekts der Unterkünfte angeordnet. Als Basis galt, 2.000 Mann, 1030 Pferde und 100 Geschütze nebst Fuhrwerken verschiedenster Art unterzubringen.

k. u. k Artillerie Schießschul Etablissement in Hajmáskér
k. u. k Artillerie Schießschul Etablissement in Hajmáskér, Baubericht- und Beschreibung um 1905, © Historiö.

Dieser Belagsstand gliederte sich in folgende Gruppen:

  1. Das Schießschulkommando mit den Schießschulabteilungen der Feld- und Festungsartillerie.
  2. Das Schießplatz- und Personalkommando.
  3. Ein Schießschulregiment (Kriegsstand!)
  4. Ein Festungsartilleriebataillon.
  5. Eine Ballonabteilung und ein Beleuchtungszug.
  6. Ein (zweites Feldartillerieregiment.
  7. Ein Wirtschaftshof.
  8. Allgemeine Bedürfnisse (Offiziers-Kasino, Marketenderei, Reitschulen, Beschlagsschmieden, etc.)

Demgemäß wurden folgend genannte Gebäude projektiert und ausgeführt:

  • Ein Kommandogebäude mit den Kanzleien des Schießschulkommandos und der beiden Schießschulabteilungen, Vortrags- und Kriegsspielsäle, Schulbibliotheken, -Unterkünfte für die Kommandanten, Lehrer und Frequentanten – zusammen 122 Offiziere nebst deren Dienern; ein eigener Trakt dieses Gebäudes enthält das gemeinsame Offizierskasino, bestehend aus einem großen Festsaal, 2 Speise-, 1 Billardsaal, 2 Spiel- u. z Lesezimmern, nebst den nötigen Küchen, Kellern zusammen mit einem Stallgebäude für die rund 140 Pferde diese Bewohner.
  • Ein Wohngebäude für die Mannschaft der Schießplatzabteilung und das Personalkommando – etwa 350 Mann zusammen mit einem Stallgebäude für die Pferde dieser Mannschaft (80 Pferde), einem Werkstättengebäude für Erzeugung und Reparatur des Scheibenmaterials und der Fuhrwerke sowie einer Remise für Fuhrwerke dieser Abteilung, dann die Feuerlöschgeräte und fertige Scheiben.
  • Ein Offizierswohngebäude für die Offiziere des Schiessschulregiments – ca. 33 – nebst Kanzleien, Offiziersmenage und Nebenräumen; ein Unteroffizierswohngebäude mit 6 Unteroffizierswohnungen für Verheiratete; ein Stabsgebäude für den Stab des Schießschulregiments und die Unterkunft der zu gewärtigenden Leichtkranken (Maroden); zwei Mannschaftsgebäude für zusammen 4 Batterien auf Friedensstand, ein ähnliches Mannschaftsgebäude für die Ergänzung der Mannschaft auf den Kriegsstand; ein Stall für die Pferde des Stabes, vier Stallungen für die Pferde der Batterien auf Friedensstand und zwei Stallungen für die Pferdeergänzung auf den Kriegsstand; eine Remise für Geschütze und Munitionswagen dieses Regiments; Remisen für Wagen des Regiments; zwei Materialdepots.
  • Wohngebäude für die Mannschaft des Festungsartillerie-Bataillons – nur für Sommerbelag eingerichtet; eine freistehende Küche; ein Geschütz- und Materialdepot; ein Feldbahndepot.
  • Eine Ballonhalle mit Magazinen und Werkstätten; eine Remise für den Beleuchtungszug;
  • Eine barackenartige Unterkunft für die Mannschaft des Feldartillerieregiments für Sommerbelag; ein Stallgebäude für die Pferde dieses Regiments; eine Remise für Geschütze und Fuhrwerke des Regiments; ein Wohngebäude für verheiratete Hauptleute als Wirtschaftsleiter und Gebäudeverwalter;
  • Ein Wohngebäude für das Wirtschaftspersonal; ein Stall für 20 Wirtschaftspferde, 20 Kühe, Stier und 8 Esel, Heumagazine, Remisen für Fuhrwerke, Wirtschaftsmaschinen, Geräte etc.
  • Ein Marketendereigebäude für die gesamte Mannschaft mit einem Wach- und Arrestgebäude;
  • Eine große, gedeckte Reitschule, acht Hufbeschlagschmieden; ein Stall für schwerkranke und ein solcher für verdächtig kranke Pferde;
  • Eine Garnisonsmenage (Lebensmittelmagazine, Verschleißlokale, Kanzleien, (Eiskeller, Kühlräume);
  • Eine Kraftzentrale (Kessel, Dampf- und Dynamo Maschinen für Wasserförderung und Erzeugung elektrischen Stromes für Beleuchtungszwecke), mit Werkstätten, einer Zentralbadeanlage, Kanzleien und Maschinistenwohnung;
  • Ein Munitionsmagazin nebst Wachhaus;
  • Vier offene Reitschulen und ein Formierungsplatz von 21.000 m2 vervollständigen die Anlage.

Das ganze Etablissement war mit Staketenzäunen umfriedet, von breiten Straßen durchschnitten, mit Rasenplätzen und Bäumen Stellen bepflanzt und enthielt einen zusammenhängenden Park von 9 Joch Größe als Erholungsort für Offiziere und Mannschaft. Die Haupteinfahrt lag an der Szekesfehérvárer Straße und führt durch einen 6 m breiten Torbogen ins Etablissement. Die Wasserversorgung erfolgte durch eine eigene Wasserleitung, die aus 2 Tiefbohrbrunnen (30 bzw. 40 m tief) durch Turbinenpumpen gespeist wurd und mit Hilfe eines 44 m hohen Wasserturms mit 250 m2 Inhalt in alle Stockwerke Wasser zu fördern gestattete.
Die Abfuhr der Abfallstoffe und Schmutzwässer geschah durch eine Schwemm-Kanalisation, welche vor Eintritt in den Verfluter eine biologische Kläranlage passierte. Die größte tägliche Abflussmenge war auf 250 m3 geschätzt. Die Beleuchtung erfolgte teilweise durch eine elektrische Anlage mit 20 Kilowatt Leistungsfähigkeit, teilweise durch Petroleumlampen.

Der Gesamtkostenaufwand für den beschriebenen Bau betrug 5.600.000 Kronen (ca. 43,9 Mio. €). Das Etablissement war zu dieser Zeit mit 60 großen Objekten die größte zusammenhängende Militärunterkunftsanlage der Monarchie und wurde innerhalb von drei Jahren fertiggestellt. Bis auf Materialdepots und Remisen waren sämtliche Gebäude gemauert, mit Ziegeln eingedeckt und durchwegs mir Eisenbetondecken versehen. Die Wohngebäude für Offiziere und Mannschaft waren zwei, das Kommandogebäude dreigeschossig. Die Wohnungen für verheiratete Offiziere waren großstädtischen Wohnungen vollkommen gleich ausgestattet.

Mit diesem Etablissement wurde mitten in eine öde Karstwüste eine moderne Stadt gestellt. Alle öffentlichen Anlagen, die damals eine solche Stadt besaß, waren vertreten, desgleichen alle Arten von Baulichkeiten, die die Baukunst kannte: Neben städtischen Wohngebäuden solche vom Typus für das flache Land, Gebäude für Unterrichtszwecke, Heilzwecke, Kanzleien für Behörden, Saalbauten für Erholungszwecke, Restaurationen, Badeanstalten, Lagerhäuser, Markthallen und landwirtschaftliche Bauten. Ein Verpflegsetablissement und ein Schlachthaus zu Eröffnungszeit noch projektiert.

Der Bau stellte die ausführende Baumeister-Firma Kondor Ésfeledi Budapest vor große Herausforderungen. Jegliches Material außer Bruchstein und Schotter musste als Bahnfracht antransportiert werden. Weder für Beamte noch für Arbeiter bot das Dorf Unterkünfte, man behalf sich mit provisorischen Baracken. Die vollständige Ressourcenlosigkeit der Umgebung machte die Verpflegung aller beim Bau Beteiligten zu einer schweren Aufgabe, die nur durch große Geldopfer zu lösen war, welche teilweise durch die Beamten selbst (für die eigenen Familien); teilweise aber von den Unternehmern erbracht werden mussten. Die Arbeitslöhne „stiegen bis zu unerhörten Höhen“, – die Kosten für einen Handlanger erreichten 4 K 4o h täglich (34,5 €) – ohne dass es gelang, die Leute für längere Zeit zu binden, da das Leben am Platze, mangels jeder Zerstreuungsmöglichkeit in den Arbeitspausen nicht ertragen wurde.

Anmerkung: Die Angaben, insbesondere die Zahlenangaben sind der Quelle entnommen und wurden nicht geprüft. Die Umrechnung Krone auf Euro erfolgte über den historischen Währungsrechner der österreichischen Nationalbank mit Wert 2023. https://www.eurologisch.at/docroot/waehrungsrechner/#/.

Quelle: Hajmasker, Beschreibung des k. u. k. Artillerie Schiesschul‘ Etablissements in Hajmáskér, o. O. um 1905.

Ein Teil der Schwarz-weiss-Fotos wurde koloriert. Die Farben geben die damaligen Farben nicht naturgetreu wieder.

Hajmáskér

Fotos: © Historiö/WJG

Text:

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