Lebensgeschichtliche Notizen der Schwestern Josepha und Aloisia Kurz

Milieustudie zum (Alltags-)Leben von Offiziersfamilien in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts

Das oft vermittelte Bild der im Salon des Hauses beim Tee oder Kaffee sitzenden, stickenden Damen und der im Hintergrund klavierspielenden Tochter wird der Wirklichkeit nicht gerecht. Die zwei Schwestern Josepha Edle von Janda, geborene Kurz (1776-1848) und ihre Schwester Aloisia Kurz (1791-1868) zeichnen ein anderes Bild. Sie schrieben in je einem Notizbuch Familiengeschichtliches auf und ergänzten dies durch viele Informationen aus ihrem jeweiligen Bekanntenkreis. Die Auskünfte beginnen – von den Schwestern aus gesehen – 1690 mit ihren Großeltern und enden um 1860 mit den Enkel­kindern. Aus dem unmittelbaren Umfeld der Familie werden über fünf Generationen inklusive Geschwisterkindern, Schwäger:innen etc. zirka 90 Personen genannt. Hinzu kommen rund 110 Personen aus dem Freundes- und 190 aus dem erweiterten Bekanntenkreis. Die gesamte Gruppe ist im Umfeld des k. k. Militärs der Habsburger angesiedelt und umfasst Offiziere, Verpflegs­beamte, Kriegskommissäre, Apotheker etc.

Von beiden Frauen wird über andere Frauen haupt­sächlich im Zusammenhang mit ihren Verehelichungen und der Geburt ihrer Kinder geschrie­ben, Lebensgeschichtliches wurde von den beiden eher über Männer notiert. Geografisch beginnt es im Raum des heutigen Innviertels und verlagert sich um die Mitte des 18. Jahrhunderts in die Räume Brünn und Wien., ergänzend auch Prag, Olmütz, Lemberg und weitere größere Städte mit deren Umfeld. Schilderungen über Geschehnisse der Zeit außerhalb dieser Personengruppe wie beispielsweise zu kriegerischen Ereignissen der Ko­alitionskriege oder der napoleonischen Zeit sind nur im Einzelfall zu lesen.

Die Transkription der beiden „Kurzbüchel“ mit gesamt 311 in Kurrent beschriebenen Seiten wurde 2023 abgeschlossen. Parallel dazu erfolgten Besuche ver­schiedener Archive, die ein erstes Gefühl dazu geben, welche Archivalien vorhanden und zugänglich sind. Quellenbeispiele aus dem Leben der Offiziersfamilie Janda von den Türkenkriegen, der Zeit der Koalitionskriege bis zum Wiener Kongress wurden in einer Arbeit (Auszug) im Winter 2022/23 vorgestellt.

Neues Forschungsprojekt

In einem im März 2024 am Fachbereich Geschichte der Paris Lodron Universität Salzburg in Zusammenarbeit mit HistoriÖ begonnen und auf drei Jahre angelegten Forschungsprojekt, soll dem sozialen Leben dieser Gruppe nachgegangen. Dazu gehören Fragen nach der Rolle der Frauen in diesem Umfeld, dem Leben von jungen Frauen, mit wenig Ausbildung und dem Warten auf eine Ehe, die Zeit der zahlreichen Geburten und die häufige Altersarmut. Die männlichen Jugendlichen traten zwischen ihrem zehnten und fünfzehnten Lebensjahr in Internate oder militärische Kadettenanstalten ein. Warum ihnen eine Heirat über Jahrzehnte finanziell nur schwer oder gar nicht möglich war, was die formalen Rahmenbedin­gungen dazu waren und wie es in der Praxis aussah, soll ebenfalls beleuchtet werden. Allein diese exemplarischen Fragestellungen deuten schon die Breite der geplanten Forschungsarbeiten in Archiven in Österreich, Tschechien, Polen, der Slowakei und der Ukraine an.

Forschungbereiche

Aus heutiger Sicht ergeben sich vier Forschungsbe­reiche.

Zunächst steht hier die Erforschung der engeren Familiengeschichte in der geraden Linie der Josepha von Janda – Aloisia blieb unverheiratet – im Vordergrund. Unterlagen zumindest zu den Lebensdaten der genannten Personen sind noch in Archiven auszuheben. Daraus sollen Schlüsse gezogen werden, wie die Wanderbewegung aus dem Innviertel zunächst nach Wien und Brünn und dann weiter erfolgte. Weitere – je nach Datenlage – mögliche Fragestellungen sind die Art und Weise der Ausbildung der Kinder, der Lebenserwartungen, der Krankheiten sowie der Todesursachen mit den dabei angesprochenen Behandlungshinweisen (Aderlassen, Blutegel, Impfungen, …). Zu hinterfragen ist auch die Rolle der Ehefrauen als Organisatorinnen des Alltages zu Hause und damit zusammenhängend die der Männer und ihrer Abwesenheiten.

Zum Zweiten soll der angesprochene sowie der nicht genannte Bekanntenkreis mit dem familiären Kreis in Zusammenhang gebracht werden. Das Vorgehen dazu ähnelt dem des ers­ten Bereichs.

Drittens sollen über Kontextualisierungen Soll/Ist-Vergleiche im beschrieben Zeitraum angestellt werden. Hier geht es um die damalige Gesetzes- beziehungsweise Vorschriftenlage in Verbindung mit den aktuellen Forschungsstand im Vergleich zur festgestellten (Forschungs-)Wirklichkeit. Zu den Themen zählen beispielsweise das Familienleben im Umfeld der k. k. Armee im Allgemeinen, die Heiratsbestimmungen für Soldaten inklusive der lebensbestimmen­den Heiratskaution, der Unterschied im Leben von Soldaten – Offizieren – Militärbeamten – Zivilbeamten oder die Schattenseiten wie die Besoldung der Offiziere und Mannschaften, Ver­armung von Offiziers-(Soldaten-)familien nach dem Tod des fast immer männlichen finanziel­len „Familienerhalters“. Die Großfamilie Janda dient hier als typisches Beispiel zur Fragestellung nach dem Offiziers- und Beamtenadel, der Offiziersdynastien und der gesellschaftlichen Inzucht.   

Ein vierter Bereich sind statistische Auswertungen bezogen auf die Auswahlgruppe. Dazu zäh­len Durchschnittsalter Erstgeburt, Letztgeburt, Anzahl der Kinder, Heirat, Leben, …; Kinder­sterblichkeit, Wohnortwechsel, Ausbildung, Finanzstatistiken.

Fotos: © Historiö/WJG

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