Kleine (Privat-)Archive und die Herausgabe Digitaler Editionen

Herausforderungen und Lösungsansätze

Für kleine und kleinste private Archive stellt die Bewahrung ihres Kulturgutes, eine fachöffentliche Zurverfügungstellung der digitalisierten Texte und in weiterer Folge die Herausgabe von Publikationen und/oder Digitalen Editionen eine große qualitative und quantitative Herausforderung dar, die zunächst oft unbewältigbar scheint.

Die in einer HistoriÖ-Studie betrachteten Kleinarchive und wahrscheinlich die meisten anderen sind noch weit davon entfernt, ohne fachliche Begleitung Digitale Editionen herausbringen zu können. Wenn überhaupt, stehen für sie vorerst die Dokumentation des Vorhandenen, die Transkription von Handschriften, die Digitalisierung und damit Sicherung der Originale im Vordergrund. Dieser den Stufen eins bis fünf des „Digitalen Editions Weges“ entsprechende Abschnitt ist jedoch mit fachlicher Begleitung und vor allem quantitativer Unterstützung gut bewältigbar.

Wenn weitere Schritte realisiert werden sollen, müssen die Verantwortlichen der Kleinarchive zunächst in proaktiven Gesprächen „abgeholt“, darin ein (Überblicks- )Bewusstsein für die vielen Themen der Stufen sechs bis zehn geweckt und gleichzeitig behutsam die an die jeweilige Situation angepassten Bewältigungsmöglichkeiten der Herausforderungen entlang des „Digitalen Editions Weges“ vermittelt werden.

Die fachlichen Begleiter:innen sollten nach Möglichkeit dazu von Beginn an die künftigen Schritte der wissenschaftlichen Bearbeitung mit einplanen und berücksichtigen. Das betrifft vor allem den Wissens- und Fähigkeitenaufbau, die Erarbeitung von Vorgehensweisen sowie die Ressourcenbereitstellung. Zu letzterem ist eine bessere, leider schwer realisierbare finanzielle Ausstattung unabdinglich. Dazu ist eine fachliche Begleitung und bei einzelnen Stufen meist auch eine direkte personelle Unterstützung notwendig. Eine wichtige Rolle könnte dabei wissenschaftlichen Institutionen, wie zum Beispiel historischen Instituten von Universitäten, zukommen.

Mit viel eigenem Engagement und mit externer Unterstützung – über einen längeren Zeitraum hinweg – sind die Herausforderungen grundsätzlich gut bewältigbar. Und dann steht der Publikation digitaler Editionen durch Kleinarchive nichts mehr im Wege.

Der „Digitale Editions Weg“ (Kurzversion)

Kleine Archive sind sehr unterschiedlich strukturiert, trotzdem lassen sich aus den Erfahrungen aus vielen Gesprächen wie jenen mit den Vertreter:innen von elf untersuchten Archiven und früheren Besuchen von Archiven sowie den eigenen Erfahrungen des Autors nachstehende grundsätzliche zehn Bearbeitungsstufen bis zu einer kritischen digitalen Edition festlegen. Dabei wird auf inhaltliche Details der Bearbeitungsstufen hier nicht näher eingegangen. Auch sind die Übergänge fast immer fließend oder es werden Stufen wie Dokumentation und die digitale Bestandssicherung priorisiert und gleichzeitig beziehungsweise überlappend abgearbeitet.

Archiv- und Editionsrichtlinien

Gemeinsam mit den Festlegungen für die Dokumentation und Archivierung sollten bereits zu Beginn eines strukturierten Vorgehens Editionsrichtlinien erstellt werden. Dabei ist vor dem Hintergrund der meist mangelnden Erfahrung der handelnden Personen mit der Herausgabe von digitalen Publikationen/Editionen eine externe Begleitung vorteilhaft. Erstellung und Erweiterung der Archiv- und Editionsrichtlinien sind ein kontinuierlicher Prozess.

Dokumentation

Mit der Sichtung, Klassifizierung und Inventarisierung steht am Beginn auch die Dokumentation des Vorhandenen, wobei als Werkzeug meist eine einfach zu handhabende Exceltabelle ausreichend ist. Jede erwähnte Person, jedes materiell oder immateriell vorhandene Schriftgut, wie zum Beispiel Handschriften, Lebensdokumente, Fotos, Plakate bekommen eine eindeutige alphanummerische Kennzeichnung. Ergänzt wird diese um eine kurze und präzise Beschreibung des Objekts inklusive Provenienz, einer Kategorisierung mit Mehrfachkriterien, quantitativen Angaben und dem Bearbeitungsstatus gemäß der festgelegten Projektschritte. Eine einfache und überschaubare Kategorisierung und ebensolche Feldbezeichnungen in den Tabellen helfen, diese Daten später in eine Datenbank oder auch archivübergreifend zusammenführen zu können. Damit sollen die analogen und digitalen Archivalien für die Forschung zugänglich und auch für Externe erschließbar sein.

Archivierung

Anzustreben ist, die archivgerechte Lagerung parallel zur Dokumentation durchzuführen. Dabei sind Themen wie zum Beispiel Schadstofffreiheit der Materialien und Räumlichkeiten, ein integriertes Schädlings Monitoring (IPM)[1], Wassereintritts- und Brandschutz, Schutz vor Schimmelbefall sowie un- und beabsichtigter Entwendung zu berücksichtigen.

Digitale Bestandssicherung

Ergänzend zu den Maßnahmen der Archivierung wird an dieser Stelle das Thema „Digitale Bestandssicherung“ als eigener Punkt herausgestellt. Darunter wird hier vor allem die Erstellung von Digitalisaten verstanden, die dann auch für die nächsten Schritte der Digitalisierung 1 und 2 verwendet werden können. Sehr wesentlich ist weiters eine interne sowie externe Sicherung aller erstellten Daten auf Basis eines entsprechenden Konzeptes. Zur dauerhaften Erhaltung der digitalisierten Archivalien ist auch das Thema der Langzeitarchivierung zu berücksichtigen.

Digitalisierung 1 (OCR1)

Hier beginnen die im Pkt. 2.2. Bearbeitungsstand [Langversion ] angeführten Schritte der inhaltlichen Bearbeitung. Auf Basis der vorhandenen Digitalisate werden die Handschriften transkribiert beziehungsweise die Maschinschriften mittels Texterkennung (OCR) digital bearbeitbar gemacht.

Digitalisierung 2 (OCR2)

Darauf aufbauend werden die OCR1-Texte inhaltlich über- und nachbearbeitet. Dazu zählen beispielsweise die Überprüfung der korrekten Schreibweise von Namen und Orten sowie deren Verifizierung, die zeitliche Einordnung sowie die Erläuterung heute nicht mehr verwendeter Begriffe.

Wissenschaftliche Bearbeitung

Die interne oder externe Bearbeitung erfolgt nach den klassischen geschichtswissenschaftlichen Methoden.

Annotation

Dazu zählen die Erfassung beziehungsweise standardisierte Anpassung der Metadaten und der Anmerkungen sowie die technische Überarbeitung des Textes, wobei hier besonders vorausschauend auf die folgenden Arbeitsschritte Rücksicht genommen werden sollte.

Digitale Publikation

Fertigstellung der digitalen (/analogen/hybriden) veröffentlichungsbereiten Publikation in einem der drei Formate: docx, xml, html. – zur Übergabe an einen Verlag, die Version Eigenverlag wäre gesondert zu berücksichtigen.

Kritische digitale Edition

Erstellung der kritischen Edition über digitale Textkodierung mit TEI/XML[2] inklusive Bereitstellung der Web-Umgebung[3].

 

[1] IPM – Integrated Pest Monitoring, vgl. Pinniger u. a., Handbuch, 9.

[2] TEI – Text Encoding Initiative, XML – eXtensible Markup Language; wird hier nicht näher erläutert.
Vgl. TEI Consortium, Text Encoding Initiative (TEI), https://tei-c.org/ (31.08.2021).

[3] Anmerkung: Mit Frontend – Präsentationsebene/Benutzeroberfläche und dem Backend – Basisebene mit Datenbank, Zugriffssystem, Administration, etc.

 

Wilhelm Gruber (WJG)